© D. W. Sattler 2015 
Warum man an den Küsten lieber ganze Fische verspeist
In machen Gegenden Deutschlands, besonders weitab von Nord- oder Ostsee, wird man gern auch in besseren Gasthöfen und Restaurants "übers Ohr" gehauen, wenn man "filetierten" Fisch bestellt. Das gilt besonders für hochpreisigen Fisch, wie z. B. Dorade, Seeteufel (Lotte), Seezunge, Steinbutt, Wolfsbarsch usw. Ob das Gelieferte Frisch- oder Tiefkühlware ist, wäre ein weiteres Thema.

Eine Recherche der ZDF-WISO-Redaktion (Quelle: ZDF-WISO / Stichprobe) hat vor einiger Zeit heraus gefunden, dass am Beispiel Seezunge (lat. Solea solea) nur jeder fünfte als Seezunge verkaufte Fisch auch wirklich Seezunge war. Beispielsweise wurden in Sachsen-Anhalt - eben weit weg von den Küsten der Republik - unter 19 Seezungen-Gerichten nur 4 Gerichte mit "echter" Seezunge ausgemacht (dies wurde mit DNA-Analysen nachgewiesen!). Stattdessen hat man andere, preiswertere Fischarten wie Seelachs (Köhler bzw. Pollak gehört zur Dorschfamilie und hat nichts mit Lachs zu tun!), Rotzunge (oder Limande, an sich eine schmackhafte Schollenart) oder gar "billiges, fast geschmackloses" Pangasiusfilet (Pangasius - gehört zur Familie der welsartigen - in asiatischen Farmen gezüchtete - Süßwasserfische!) bewusst oder unbewusst "aufgetischt". Ähnliche Feststellungen machte auch das NDR-Magazin Markt, siehe weiter unten.

Unbewusst? Das glaube ich - ehrlich gesagt - eher nicht und ein Koch, der eine Seezunge nicht von einem Seelachs unterscheiden kann, sollte sich einen anderen Job suchen! Hier kann man auch nicht von einzelnen schwarzen Schafen sprechen, wie es der DEHOGA gern verlauten lässt, dazu ist der prozentuale Anteil der Übeltäter zu hoch. So etwas ist - schlichtweg gesagt - Betrug und ein Fall für die zuständigen Staatsanwaltschaften, denn:
Eine Speisekarte ist ein verbindliches Angebot an den Gast und daran haben sich Gastronom als auch Koch zu halten!
 
Natürlich ist ein fast grätenfreies Fischfilet etwas Feines, aber wer sich mit der Textur bzw. Konsistenz und dem Geschmack von Fischfleisch nicht gut auskennt, ist halt "der Dumme" und tut besser daran, sich in einigen deutschen Gaststätten nur mit ganzen Fischen "abspeisen" zu lassen, auch wenn man sie selbst "entgräten" muss. Zumindest könnte der Gast vielleicht dann eher erkennen, was man ihm serviert hat. Bei Lachsfilet besteht dieses Problem weniger, da man es schon optisch als Lachs erkennen könnte. Hier stellt sich dann eher die Frage, ob es frischer oder TK-Lachs (bzw. TK-Fisch) ist und deshalb bin ich z. B. der Meinung, dass auch dies in einer Speisekarte vermerkt sein sollte. Denn als Faustregel gilt, TK-Fisch kostet beim Einkauf etwa halb soviel wie Frischware. Das hat allgemein nichts mit der Qualität zu tun, solange die Kühlkette eingehalten wird, aber der Gast sollte schon wissen, was er für sein gutes Geld auf den Teller bekommt.

App. Lachs, der keiner ist (siehe oben), sondern Seelachs: Bekannt als Fischstäbchen, muss er scheinbar auch noch für andere Fischarten herhalten und das ist ausgerechnet mir bei der Bestellung von paniertem Rot- bzw. Goldbarschfilet passiert. Als ich den Wirt auf das feste, leicht gräuliche Fischfleisch und den Verdacht auf Seelachs ansprach, senkte er sofort den Preis um 3 Euro und entschuldigte sich überschwänglich für das "Versehen".
Versehen? Auch hier lag wohl der bewusste Betrug am Gast nahe, da das Servierte nicht der Karte entsprach. Dennoch, der preiswertere Seelachs (speziell Alaska-Seelachs) ist ein guter Speisefisch, aber zu groß (Ø 70 - 100 cm) für einen normalen Teller und wird deshalb - wie Dorsch bzw. Kabeljau oder Skrei, Schellfisch und Leng, Rotbarsch und andere größere Fische - eben überwiegend als Filet gehandelt.
 
"Echte Küstenbewohner" greifen dann (wohlgemerkt - frisch) doch eher zu so genannten "Portionsfischen", wie einer Scholle, einem Butt, Hering oder kleinen Dorsch, zu Rotzunge und Makrele, aber auch gern (aus dem Süßwasser) zu einer Portion Stint, einer Forelle, einem Zander oder gar einem "Stück" Aal. Als Portionsfische bezeichnet man Fische mit einem Gewicht von etwa 250 - 350 g, die im Ganzen zubereitet werden.
 
Wer gern und oft Fisch isst, sollte ohnehin besser ganze Fische kaufen und es den Profi-Köchen gleichtun, d. h. ggf. selbst filetieren. Anleitungen dazu findet man massenhaft in guten Kochbüchern und im Internet.
Einige Hersteller von Fischfilet, TK und Shrimp & Co., "pumpen" nämlich ihre Ware zusätzlich mit bis zu 40 % Fremdflüssigkeit (Wasser) auf, so eine Recherche des NDR (Quelle: www.ndr.de/markt/).
 
Aber auch ganze Fische sind nicht immer eine Garantie für Qualität und Frische. In einem renommierten Restaurant an der Schwarzwald-Hochstraße gab es "Forelle Müllerin Art". Der erste Biss - tranig! Ich ließ den Koch kommen, er probierte, nahm das tote Tier natürlich anstandslos zurück und klärte mich entschuldigend auf. Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, dass man mir im Schwarzwald eine dänische TK-Forelle serviert und hätte es so in der Karte gestanden, wäre meine Menüwahl sicher eine Andere gewesen.
 
Da fällt mir gerade noch etwas ein: Die Nordseekrabbe. Küstenmenschen, die bewusst leben, werden sicher keine billigen Krabben in den Supermärkten oder bei Discountern kaufen, sondern eher "ungepulte" vom Fischhändler oder - wo möglich - direkt vom Krabbenkutter. Krabben die über Polen, Russland oder gar Marokko gereist sind und in den Handel kommen, schwammen nicht nur in der Nordsee, sondern auch einige Tage lang in einer Brühe aus Benzoe (E 210) - und Citronensäure (E 330), weil das "Pulen" bei uns zu teuer ist. Na dann, guten Appetit beim nächsten Krabbenbrötchen!

Weitere Informationen
Seit Januar 2012 ist die Kennzeichnung von Fischerzeugnissen neu geregelt: Fisch an der Frischfischtheke, Räucherfisch und viele Tiefkühlprodukte müssen sowohl mit dem deutschen als auch lateinischen Namen ausgezeichnet werden. Ferner müssen TK-Produkte, die vor dem Verkauf angetaut und als frische Ware gehandelt werden, mit dem Hinweis Aufgetaut / Angetaut gekennzeichnet sein. Dies gilt aber weder für roh verzehrte Erzeugnisse (z. B. Sushi) noch für solche, die nach dem Auftauen geräuchert, gesalzen, gegart oder mariniert werden (Quelle: FIZ).
In anderen Worten: Den Manipulationen in unseren Bewirtungsbetrieben sind also weiterhin Tür und Tor geöffnet. Rund 40 % des Gastgewerbes (Gaststätten, Restaurants und sonstige Speiselokalitäten) verarbeiten regelmäßig vorgefertigte Nahrungsmittel, vorrangig tiefgekühlte Rohwaren. Sind es bei Fleisch "nur" 35 %, bei Fisch schon 80 %, so ist der Anteil bei Gemüsen bereits auf rund 85 % angestiegen. Bei Halbfertigprodukten liegt der Anteil durchschnittlich bereits über 40 % (Fleisch und Fisch) und bei Kuchen / Desserts sogar über 55 % (Quelle: BTG - www.businesstargetgroup.com).
Dem Gast bleibt also nur die Entscheidung, ob er überhaupt noch eine Gaststätte betreten will, die auf dem "Kunderstopper" nicht ausdrücklich frische, hausgemachte Speisen anbietet. Übrigens, rund 20 % der deutschen Bevölkerung betritt nie eine Gaststätte, aus welchen Gründen auch immer. Schlagzeilen über Betrügereien mit Analogkäse, wässrigem Fischfilet, Gammelfleisch, Klebeschinken, Salmonellen im Speiseeis, Pferde-Lasangne, Turbo-Hühnern, ja selbst "gefaktem" Mineralwasser usw., als auch die hygienische Zustände in so manchem Restaurant fördern ja auch nicht gerade die Lust, außer Haus essen zu gehen (das generelle Rauchverbot könnte ebenfalls eine Rolle spielen).
So hatten die Verbraucherschutzminister der Länder z. B. auf einer Sondersitzung in Bremen beschlossen, eine Hygiene-Ampel ab Januar 2012 am Eingang von Gaststätten aufzuhängen, die Auskunft über die hygienischen Zustände des Restaurants geben soll.
Denn der Anteil der Hygiene-Verstöße in Deutschland ist seit Jahren gleichbleibend hoch. Die amtlichen Lebensmittelkontrolleure entdecken jährlich zwischen 20 - 25 % nennenswerte Delikte. Wegen ähnlicher Problematik hatte beispielsweise Dänemark vor Jahren den Hygiene-Smiley eingeführt und seitdem haben sich die Qualitäten der Angebote wesentlich verbessert. 86 % der dänischen Restaurants waren bereits 2009 mit einem Smiley ausgezeichnet, den es bei uns bis heute nicht gibt.
Ob das von Frau Aigner initiierte Online-Portal www.lebensmittelklarheit.de der Verbraucherzentralen und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin, oder www.abgespeist.de von Foodwatch - wo man ohnehin die bisherigen Kennzeichnungsregeln in der Gastronomie als viel zu lasch bewertet - daran etwas ändern werden, bleibt abzuwarten.
Denn großspurige Ankündigungen der ehemaligen Verbraucherschützerin, waren ja mit Vorsicht zu betrachten. Wirkliche Verbesserungen in Sachen Verbraucherschutz konnte man kaum verzeichnen, wie z. B. der Pferdefleischskandal oder "getürkte" Bio-Eier gezeigt haben.
Nach dem plötzlichen Rücktritt von H.-P. Friedrich benannte die CSU dann schnell Christian Schmidt zum neuen Verbraucherschützer, aber ich mache mir auch da wenig Hoffnung. Jedenfalls haben die im Europaparlament beschlossenen Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel kurz- und mittelfristig so gut wie keine Auswirkungen auf Speisekarten in Gastbetrieben, denn für die Umsetzung in den Unternehmen gelten allgemein Übergangsfristen von mindestens drei Jahren!
 
Derzeitige Verhandlungen der Europäischen Union zu den so genannten Freihandelsabkommen TTIP (USA) und CETA (Kanada) geheim hinter "verschlossenen Türen" sind auch nicht gerade vertrauenserweckend. Sie gefährden in hohem Maße die hiesigen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards, könnten unerwünscht der Gentechnik die Tore öffnen und Schadenersatzansprüche von Konzernen gegen beteilgte Staaten ermöglichen, wenn z. B. politische Entscheidungen die Konzerngewinne schmälern sollten. Hier ist ein guter Link zum Mitmachen, gegen CETA / TTIP und für mehr verbraucherschützende Maßnahmen.